Millennium 05 - Verfolgung by Lagercrantz David

Millennium 05 - Verfolgung by Lagercrantz David

Autor:Lagercrantz, David [Lagercrantz, David]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2017-09-06T22:00:00+00:00


14. KAPITEL

21. Juni

Jan Bublanski saß in einer altmodisch möblierten Wohnung in Aspudden und sprach mit Maj-Britt Torell, jener Frau, die Lisbeth Salander zufolge ein paar Wochen zuvor Holger Palmgren besucht hatte. Bublanski hielt Maj-Britt für eine durchaus wohlmeinende alte Dame, doch irgendetwas an ihr war merkwürdig. Sie fingerte nervös an den Gebäckstücken herum, die sie ihm servieren wollte, und schien seltsam vergesslich und zerstreut zu sein, vor allem wenn man bedachte, dass sie ein langes Berufsleben als Sekretärin hinter sich hatte.

»Ich weiß wirklich nicht mehr ganz genau, was ich ihm übergeben habe«, teilte sie ihm mit. »Ich hatte gerade so viel über dieses Mädchen gelesen und fand, es wäre an der Zeit, dass er alles darüber erfuhr – wie schlimm man sie behandelt hatte.«

»Sie haben Palmgren also die Originalakten übergeben?«

»Ja, das muss wohl so gewesen sein. Die Praxis ist ja schon seit Langem geschlossen. Was mit den anderen Akten passiert ist, weiß ich nicht, aber einige Unterlagen hatte ich hier bei mir. Professor Caldin hatte sie mir im Vertrauen gegeben.«

»Das heißt also heimlich?«

»So könnte man es ausdrücken.«

»Wichtige Dokumente, nehme ich an?«

»Vermutlich, ja.«

»Hätten Sie dann nicht Kopien oder Scans davon machen müssen?«

»Das sollte man meinen, aber ich …«

Bublanski schwieg. Für sein Empfinden war dies ein guter Zeitpunkt, um zu schweigen. Leider hatte es aber nur zur Folge, dass Maj-Britt das Gebäck noch weiter zerbröselte. Ihren Satz beendete sie nicht.

»Es ist nicht zufällig so …«, setzte Bublanski erneut an.

»Ja?«

»Dass man Sie wegen dieser Akten besucht oder angerufen hat und Sie jetzt Angst haben?«

»Auf keinen Fall«, antwortete Maj-Britt ein wenig zu schnell und zu nervös, und da stand Bublanski auf.

Es war höchste Zeit zu gehen. Er sah sie mit seinem wehmütigsten Lächeln an, das, wie er wusste, starken Eindruck auf Menschen machte, die mit ihrem Gewissen haderten.

»Dann lasse ich Sie jetzt besser in Ruhe«, sagte er.

»Nein, wirklich?«

»Sicherheitshalber rufe ich Ihnen ein Taxi, das Sie zu einem netten Café in der Stadt bringen soll. Diese Angelegenheit ist so wichtig, dass Sie sich einen Moment zum Nachdenken nehmen sollten. Ist es nicht so, Frau Torell?«

Mit diesen Worten reichte er ihr seine Visitenkarte und kehrte zu seinem Auto zurück.

Dezember, eineinhalb Jahre zuvor

Dan Brody – oder Daniel Brolin, wie er vor seiner Emigration geheißen hatte –, sollte an diesem Tag mit dem Klaus-Ganz-Quintett im Jazzclub »A-Trane« in Berlin spielen. Jahre waren ins Land gegangen. Inzwischen war er fünfunddreißig, hatte sein langes Haar abgeschnitten und den Ring aus dem Ohr genommen und trug neuerdings graue Anzüge. Er sah aus wie ein Beamter, und er fühlte sich wohl damit – wahrscheinlich steckte er gerade in irgendeiner Umbruchphase, nahm er an.

Er hatte die Tourneen und Reisen satt, sah aber auch keinen anderen Weg. Ihm fehlten die Ersparnisse: Er besaß nichts von Wert, keine Wohnung, kein Auto, wirklich nichts, und die Chance auf einen Durchbruch, auf Reichtum und Popularität, schien längst an ihm vorbeigezogen zu sein. Anscheinend war er auf immer und ewig dazu verdammt, im Hintergrund zu sitzen, obwohl er oft der beste Musiker auf der Bühne war und ein Engagement nach dem anderen hatte – wenn auch mit immer geringerer Gage.



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